Kapitel 5
10. Februar 2022
Die Frauenärztin schwieg lange Zeit. Sie tippte auf den Bildschirm und klickte mit der Maus. Sie bewegte das Ultraschallgerät auf meinem Bauch kaum hin und her. Die Frauenärztin schaute nur auf den Bildschirm. Henk und ich sahen uns nur an. Ich schüttelte leicht den Kopf und spürte, wie mir die Tränen kamen. Das kann nicht gut sein. Das Herz schlug. Das hatten wir auf dem Bildschirm gesehen. Es musste also noch etwas anderes nicht in Ordnung sein. „Ich sehe Flüssigkeit im Nacken Ihres Babys“, sagte sie schließlich. „Eine Menge Flüssigkeit. Das tut mir leid. Ich schicke Sie ins Krankenhaus für einen ausführlichen Ultraschall“. Ich wusste es. Eigentlich von Anfang an. Irgendetwas stimmte nicht. Es fühlte sich nicht richtig an. Aber ich wusste nicht, was.
Ins Krankenhaus.
Zum Glück konnten wir noch am selben Nachmittag zu einer ausführlichen Ultraschalluntersuchung ins Krankenhaus fahren. „Feuchtigkeit im Nacken kann noch weggehen“, las mir Henk im Wartezimmer hoffnungsvoll vor. Das muss nicht unbedingt etwas Ernstes bedeuten, haben wir im Internet gelesen. Während des Ultraschalls halten Henk und ich uns den Händen. „Es gibt nicht nur Flüssigkeit im Hals“, sagte der Gynäkologe. „Auch in der Bauchhöhle“. Die Hoffnung auf ein gesundes Baby war wieder geschwunden. Mein Kopf füllte sich mit Kummer. Zum Glück stellte Henk vernünftige Fragen, aber bei mir gab es nur Tränen.
Zum Glück stellte Henk vernünftige Fragen, aber bei mir gab es nur Tränen.
Der Gynäkologe sagte uns, dass wir zwei Möglichkeiten hätten: Abwarten und sehen, wie sich die Dinge mit einem wöchentlichen Ultraschall entwickeln oder eine umfassende Untersuchung mit Fruchtwasseruntersuchung in Münster. Es besteht keine Chance, dass die Flüssigkeit wieder weggeht und wir müssen ein betroffenes Baby stark in Betracht ziehen. Die Amniozentese kann ab der 15. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Wir mussten also sowieso noch eine halbe Woche warten. Außerdem mussten wir uns gemeinsam überlegen, welche Entscheidung wir treffen würden, falls unser Baby tatsächlich betroffen sein sollte.
Alles Schritt für Schritt.
Ich konnte nicht richtig denken und schon gar nicht über diese unmenschliche Entscheidung. Ein dichter Nebel stieg in meinem Kopf auf. Henk sorgte dafür, dass sich der Nebel etwas lichtete. „Wir werden Schritt für Schritt vorgehen“, sagte Henk. „Der nächste Schritt ist die Amniozentese. Über einen möglichen nächsten Schritt denken wir noch nicht nach. Das werden wir dann sehen.“ Und das taten wir dann auch. Ich rief in der Pränatalklinik in Münster an, um einen Termin für die Amniozentese zu vereinbaren. Der Nebel blieb und das Warten auf den Fruchtwasseruntersuchung-Termin war anstrengend.
Jeden Tag spürte ich, wie sich das Baby bewegte. Ich schickte so viel Liebe, wie ich konnte, in der Hoffnung, dass unser Baby sich geliebt fühlen würde und dass es wüsste, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben würden, dass alles gut werden würde. Wider besseres Wissen.
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